Book Review (German): Asiens Stunde. Krieg und Frieden im 21. Jahrhundert von Gideon Rachman (2019)
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Zahlreiche Bücher sind zum Zerfall der liberalen Weltordnung erschienen. Ebenso zum Niedergang der amerikanischen Hegemonie und zum Aufstieg Chinas als neue Weltmacht. Die globalen Machtachsen verschieben sich von West nach Ost. Mit der Verlagerung von Macht und Wohlstand vom Westen nach Asien habe eine neue Ära der globalen Instabilität begonnen. Mit diesem Prozess der „Veröstlichung“ befasst sich der außenpolitische Chefkommentator der britischen Wirtschaftszeitung Financial Times, Gideon Rachman, in seinem exzellenten Buch. Er beleuchtet dabei die Ambitionen anderer asiatischer Mächte. Darunter Japan, Nordkorea, Indien und Pakistan.
Die liberale Weltordnung, derer sich alle amerikanischen Präsidenten seit 1945 verpflichteten, beruhe auf zwei Säulen: „Die eine ist der Welthandel, die andere ein weltweites Sicherheitssystem, das auf Bündnissen basiert, die von den Vereinigten Staaten angeführt werden“ (S. 11). Trump drohe, beide Säulen umzustürzen. Insbesondere Trumps Unberechenbarkeit sei für die engsten Verbündeten Amerikas in Ostasien, Japan und Südkorea, eine große Belastung. Denn beide Länder stehen in der unmittelbaren Schusslinie, sollte es jemals zu einem Krieg auf der koreanischen Halbinsel oder im Südchinesischen Meer kommen.
Zunächst konzentriert sich Rachman auf die geopolitische Rivalität zwischen China und den USA, wobei er auf die geopolitischen Auswirkungen der wachsenden weltumspannenden Bedeutung des chinesischen Handels und der chinesischen Investitionen eingeht. Beispielsweise wertet Rachman den Ausstieg Trumps aus dem Transpazifischen Freihandelsabkommen (TPP) als „Symbol für den Rückzug Amerikas aus seiner globalen Führungsrolle“ (S. 23). Für Japan sei Trumps Absage ein „harter Schlag, was Japans Überlebensstrategie für das 21. Jahrhundert anbelangt.“ Denn für die Abbe-Regierung sei TPP ein letzter Versuch, der Schaffung einer von China dominierten Sphäre in Ostasien etwas entgegenzusetzen.“ (S. 22)
Auffällig an Trumps Außenpolitik sei Folgendes: „Trumps Feindseligkeit gegenüber China steht im krassen Gegensatz zu seiner herzlichen Bewunderung für Wladimir Putins Russland“ (S. 24). Wie kann man das erklären?
Hier zeigt sich Rachmans Fähigkeit, die strategischen Beweggründe scharfsinnig offenzulegen. Erstens betrachte Trump die Welt hauptsächlich unter dem Aspekt wirtschaftlicher Konkurrenz. Während China ein bedrohlicher Konkurrent für die USA ist, erscheint Russlands Ökonomie als schwach und somit weniger bedrohlich. Zweitens könne es sein, dass Trump strategisch denkt und daher versucht, das stetig engere Bündnis, das zwischen Russland und China unter Obama entstanden ist, wieder aufzubrechen. Die Idee eines strategischen Dreiecks, das Washington mit Moskau und Peking verbindet, existiert seit den 1970er Jahren. Trump versuche diese Strategie im Umgekehrten zu verfolgen: Näher an Moskau heranzurücken, um Peking zu isolieren. Erhellend ist dabei eine Aussage eines US-Regierungsvertreters: „Ich kenne die US-Marine, und sie ist süchtig nach Überlegenheit. Falls die Chinesen versuchen sollten, das Südchinesische Meer zu kontrollieren, werden unsere Jungs ihnen verdammt noch mal den Kampf ansagen“ (S. 70 f.). Sie unterstreiche, dass die Kontrolle über den Westpazifik im Zentrum der chinesisch-amerikanischen militärischen Rivalität stehe.
Rachman entwirft ein glänzendes und detailreiches Panorama, das zahlreiche Problemregionen umfasst. Dazu gehören: Der Verlust der amerikanischen Macht im Mittleren Osten und damit einhergehend der Zerfall der westlichen Ordnung; die multiplen Krisen der EU; die Entfremdung zwischen Russland und dem Westen oder Afrika und Lateinamerika als Chinas „neue Hinterhöfe“ für Investitionen und Infrastrukturprogramme. Zudem ist originell, dass er einen institutionellen Vorteil des Westens konstatiert, der sich in der angloamerikanischen Dominanz des internationalen Rechtssystems und der prominenten Stellung des Dollars als weltweit führende Reservewährung niederschlägt. Dass die USA über führende Internetkonzerne (Microsoft, Google) und Zahlungssysteme (z. B. SWIFT) verfügen, gehöre ebenfalls zum amerikanischen Machtportfolio.
„Asiens Stunde. Krieg und Frieden im 21. Jahrhundert“ ist ein aufschlussreiches und lesenswertes Buch, das durch seine hervorragende geopolitische Analyse besticht und Ordnung in eine aus den Fugen geratene Welt bringt. Sofern der Westen den Prozess der „Veröstlichung“ steuern will, sollte er nicht in Selbstgefälligkeit verfallen. Diesen Appell sollte man ernst nehmen.
Rachman, Gideon (2019): Asiens Stunde. Krieg und Frieden im 21. Jahrhundert. Weltkiosk, Berlin, 320 Seiten, 19,90 Euro.
In: WeltTrends, Das außenpolitische Journal, Nr. 156, Oktober 2019, S. 64–67.
Majd El-Safadi
Majd studies History, Political Science and Sociology, scholarship holder of the Studienstiftung des deutschen Volkes, Fulbright alumnus, editor of the foreign policy journal WeltTrends and responsible for the book department and CISS member.